The Ballad of Wallis Island - Privatkonzert als Therapie
Ein schwerreicher Mann lebt einsam auf einer wunderschönen Insel und investiert ordentlich Zaster, um sein Lieblings-Gesangs-Duo zum Reunion-Konzert, exklusiv für ihn selbst, an sein Ufer kommen zu lassen. Wer hätte gedacht, dass sich hinter dieser Prämisse eine hoch unterhaltsame, sympathische und wunderschön menschliche Story verbirgt? The Ballad of Wallis Island schafft all das zugleich, in sehenswerter Naturlandschaft.
Wir bemühen uns, in dieser Filmkritik nichts unnötiges oder überraschendes zu spoilern.
Links & Videos zur Filmkritik
Die Letzte Filmkritik - Eine Million Minuten
Die Letzte Filmkritik - Die Leisen und die Großen Töne
Unsere Meinung aus dem Podcast als Text zusammengefasst:
The Ballad of Wallis Island ist ein bei Sundance gestarteter Indie-Film, der mit Charme, originellem Setting und authentisch geschriebenen Charakteren eine vermeintlich einfache Geschichte erzählt – und dabei sowohl typische Genre-Erwartungen erfüllt als auch auf intelligente Weise unterläuft.
Im Zentrum steht der exzentrische, liebenswert-trottelige Lotto-Millionär Charles (Tim Key), der sich nach dem Tod seiner Frau auf der fast menschenleeren Wallace Island völlig zurückgezogen hat. In Erinnerung an ihre gemeinsame Lieblingsband lädt er – ohne deren Wissen – beide Mitglieder des längst getrennten Folk-Duos MacGuire & Mortimer auf seine abgelegene Insel ein, in der Hoffnung, dass sie für ihn ein letztes gemeinsames Konzert spielen. Und zwar wirklich nur für ihn - was die beiden ebenfalls nicht wissen.
Der Reiz dieser ungewöhnlichen Prämisse entfaltet sich langsam, aber stetig. Anfangs wirkt alles wie eine typisch exzentrische Komödie: Ein spleeniger Fan, eine unfreiwillige Reunion. Man erwartet gewohnte Handlungsverläufe mit jeder Menge billigen Kalauern. Doch schnell zeigt sich, dass der Film weit mehr ist als eine skurrile Lachnummer.
Die Figuren – allen voran der mittlerweile sogar von sich selbst genervte, abgehalfterte Musiker Herb MacGuire (Tom Basden, schrieb auch die Songs für den Film) und seine ehemalige Kollegin Nel Mortimer (Carey Mulligan) – sind vielschichtig und glaubwürdig gezeichnet. Die emotionalen Spannungen zwischen den beiden, ihre gemeinsame Vergangenheit, die offen bleibenden Fragen ihrer Beziehung und die Konfrontation mit dem kauzigen Gastgeber Charles bilden das starke Fundament des Films.
Regisseur James Griffiths, der mit seinen Freunden Tom Basden und Tim Key als Darsteller und Co-Autoren bereits 2007 mit dem Kurzfilm The One and Only Herb Maguire Plays Wallis Island die Grundidee skizziert hatte, gelingt es nun in der Langfassung, diese Vorlage größer, als Langfilm mit neuen Elementen angereichert, auf die Leinwand zu bringen. Dabei profitiert der Film nicht nur vom humorvollen, nie zu albernen Erzählton von Herz für seine facettenreichen Protagonist*innen, sondern auch von der beeindruckenden Naturkulisse: Gedreht auf der walisischen Ramsey Island, entfaltet die Landschaft eine fast meditative Kraft - für uns Zuschauer wie auch für die Charaktere der Geschichte.
Was The Ballad of Wallis Island besonders macht, ist sein Balanceakt zwischen Melancholie und Leichtigkeit, zwischen Zurückhaltung und emotionaler Direktheit. Die Musik – eingespielt von Tom Basden und Carey Mulligan – verleiht dem Film eine zusätzliche emotionale Ebene. Die Songs wirken authentisch, harmonisch und lebensnah. Sie begleiten die Handlung nicht nur, sondern kommentieren und vertiefen sie auf organische Weise. Zwar bleibt kein Lied als großer Ohrwurm im Gedächtnis, aber innerhalb des Films haben die Songs Wirkung.
Immer wieder überrascht die Erzählung mit kleinen, aber bedeutungsvollen Entscheidungen: Sie verweigert sich einfachen Lösungen, geht nicht den Weg der naheliegenden Romanze oder der finalen Versöhnung um jeden Preis. Stattdessen erzählt er von menschlichen Schwächen, Sehnsüchten, Enttäuschungen – und davon, wie man dennoch weitermachen kann. Selbst die Nebenfiguren sind mit feinem Gespür geschrieben und inszeniert, und gerade Charles, der leicht als Karikatur hätte enden können, entwickelt im Laufe des Films eine berührende Tiefe.
The Ballad of Wallis Island ist ein klassischer „Crowdpleaser“ im besten Sinne: ein Film, der leicht zugänglich ist, ohne banal zu sein. Er ist anmutend, aber nicht deprimierend; humorvoll, aber nicht albern; rührend, ohne kitschig zu werden. Und er ist einer jener seltenen Filme, die man nach dem Abspann gerne noch einmal sehen möchte – weil wir hier Charaktere erleben, mit denen wir gerne Zeit verbringen. Selbst wenn sie manchmal nervig naiv, unangenehm freundlich oder verbitterte Kotzbrocken sind.
(Autor: Daniel Pook)
Feeds & Infos über die Podcaster
Alternativ zum Web-Player mit Download-Funktion kann Die Letzte Filmkritik direkt über diesen Link bequem bei iTunes abonniert werden. Wer per RSS-Reader oder sonstigen Podcatchern über neue Folgen informiert werden möchte, füttert sie mit diesem Link des XML-Feeds. Via Facebook, Youtube & Twitter bleibt ihr mit uns in Kontakt und auf dem Laufenden.
Dieser Podcast wurde von Daniel Pook in unserem Studio in Berlin aufgenommen.