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Leonora im Morgenlicht - Lässt uns im Dunkeln

Leonora im Morgenlicht - Lässt uns im Dunkeln

Leonora im Morgenlicht möchte kein typisches Biopic sein, wirkt phasenweise aber doch nur wie die reduzierte, nicht-linear erzählte Variante eines solchen. Um sich der banalen Nacherzählform effektiver zu entziehen, hätte dieser Film noch viel, viel ambitionierter die surreale Kunst der realen Leonora Carrington berücksichtigen, ja auch filmisch integrieren müssen. Wenn er das zwischendurch mal konsequenter macht, hat er vereinzelt seine besten Momente - und auch Hauptdarstellerin Olivia Vinall überzeugt immerhin.

Originalbild: Leonora im Morgenlicht / © Alamode Film (2025)

Wir bemühen uns, in dieser Filmkritik nichts unnötiges oder überraschendes zu spoilern. Allerdings ist dies ohnehin ein biografischer Film über eine weltbekannte Künstlerin.


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Unsere Meinung aus dem Podcast als Text zusammengefasst:

Leonora im Morgenlicht ist ein Versuch, das komplexe Leben und Schaffen der surrealistischen Künstlerin Leonora Carrington in filmischer Form zu porträtieren. Basierend auf einer fiktionalisierten Romanbiografie, zeichnet der Film in rund 100 Minuten grob skizzierte Kapitel aus verschiedenen Lebensabschnitten nach.

Der Film verzichtet auf eine klassische Biopic-Struktur und beginnt in Carringtons späterem Exil in Mexiko, wo sie bis zu ihrem Tod 2011 lebte. Danach folgen Rückblenden, teils in ihre Kindheit, teils in ihre Jahre in Frankreich, wo sie eine intensive Beziehung zum deutschen Künstler Max Ernst führte. Dessen Verhaftung durch die Nazis und ihre anschließende Flucht markieren einen zentralen Wendepunkt – biografisch wie psychologisch.

Doch obwohl der Film dieses einschneidende Erlebnis aufgreift, bleibt die Darstellung kurz angebunden, distanziert. Die Traumata, die Leonora zeitlebens begleiteten, werden zwar gut erkennbar gezeigt – selten sogar in Form von Wahnvorstellungen oder Verschmelzungen aus Traum und Realität – doch sie verankern sich aufgrund ihrer Oberflächlichkeit kaum emotional beim Zuschauer. Künstlerische Einflüsse, inneren Prozesse oder die Fülle intensiver Motive ihrer surrealen Bilderwelt kommen genauso zu kurz wie ihre tatsächlichen Werke.

Dabei hätte der Film reiches Material: Carrington war Teil der Pariser Surrealistenszene, befreundet mit Künstlern wie Salvador Dalí. Aber zu dieser Zeit - welche im Film leider am wenigsten vorkommt - war sie nie wirklich gleichberechtigt anerkannt. Als Frau galt sie vielen eher als Muse, Anhängsel ihrer männlichen Kollegen, denn als schöpferische Kraft – ein Aspekt, den der Film zwar streift, aber nie wirklich eindringlich erfahrbar macht. So bleibt die ganze Dimension ihrer Persönlichkeit seltsam vage. Nur selten – etwa in einer visuell starken Szene in einem mexikanischen Garten, die sich explizit an einem ihrer Gemälde orientiert – blitzt großes Potenzial auf, das in einer konsequenter gestalteten filmischen Annäherung an ihre Bildsprache gelegen hätte.

In der Inszenierung überwiegt das Konventionelle: Viele Szenen erinnern an typische deutsche Fernsehfilme, die Kameraarbeit bleibt meist nüchtern. Dramaturgisch ist der Film eher eine Folge stationärer Episoden als eine organisch wachsende Erzählung. Sie wird für diese Herangehensweise allerdings zu sehr nur durch plakative Dialoge getragen.

Wenige tatsächlich surreale Elemente wirken wie dekorative Einschübe, nicht als integraler Bestandteil einer Vision. Leonoras Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik – den sie selbst ausführlich in einem bedeutenden literarischen Werk verarbeitet hat – ist lang und viel zu sehen, doch schon nach einer Szene wissen wir eigentlich alles, was uns der Film dort zu sagen hat.

Wer die Künstlerin und ihre Biografie bereits kennt, kann mit Leonora im Morgenlicht dank seiner starken Hauptdarstellerin Olivia Vinall, die Leonora als fragile, verletzliche, aber zugleich unbeirrbare Frau spielt, durchaus einen kurzweiligen Filmabend verbringen. Ihre Performance trägt weite Teile des Films, auch wenn das Drehbuch ihr wenig Kontur oder Tiefe zugesteht. Am eindrücklichsten bleibt schließlich der Abspann: eine ruhige, fast dokumentarisch anmutende Szene, in der Leonora beim Malen beobachtet wird – konzentriert, allein, im Einklang mit ihrer Kunst. Hier, im wortlosen Tun, entsteht für einen Moment das, was dem Rest des Films oft fehlt: Nähe, Authentizität und ein Gespür dafür, wer diese Frau wirklich war. Im Film sagt sie es selbst: „Ich wollte immer nur eins: Malen.“

So bleibt Leonora im Morgenlicht ein gut gemeinter, stellenweise ansprechender, aber letztlich zu blasser Versuch, das Leben einer faszinierenden Künstlerin zu erfassen. Es ist ein Film, der seine Protagonistin auf der Leinwand ins Licht rücken will, sie aber zu oft im Halbschatten lässt – eine versäumte Chance, das Unsichtbare in ihr wirklich sichtbar zu machen. Oder, tatsächlich einfach ihre Kunst einem Publikum näher zu bringen, das sie vielleicht noch nicht so gut kennt.

(Autor: Daniel Pook)



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Dieser Podcast wurde von Daniel Pook in unserem Studio in Berlin aufgenommen.

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