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Der Salzpfad - Wanderung mit G'schmäckle

Der Salzpfad - Wanderung mit G'schmäckle

Ein Wanderfilm auf Basis realer Begebenheiten, dazu noch mit erfolgreicher Romanvorlage einer Autorin, die selbst auch Protagonistin ist. Und dennoch gibt es rund um den Kinostart von Der Salzpfad einen Investigativreport, welcher die Authentizität der Erzählung stark infrage stellt. Ein Problem für die Adaption? Ja - weil diese kleine Reise trotz Gillian Anderson und Jason Isaacs in den Hauptrollen auch so gar nicht sehr spannend ist.

Originalbild: Der Salzpfad / © Transmission Film (2024)

Daniel spoilert in dieser Rezension nicht zu viele Details vom Wanderweg. Die bereits in Romanform veröffentlichte Geschichte, auf (angeblicher) Basis realer Begebenheiten, adressiert er grob gefasst aber von Beginn bis Ende. Anders wären die am Film zu äußernden Kritikpunkte kaum sinnvoll zu besprechen.


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Zusammenfassung des Podcasts & der Kontroverse um die wahren Begebenheiten von Der Salzpfad

Der Salzpfad ist eine Verfilmung des gleichnamigen, autobiografisch geprägten Romans von Raynor Winn – doch genau diese vermeintlich wahre Geschichte gerät zunehmend ins Wanken, ihre Autorin in Verruf.

Auf den ersten Blick erzählt der Film von Debüt-Regisseurin Marianne Elliott eine klassische Selbstfindungsreise: Ein Ehepaar um die Fünfzig verliert durch einen gescheiterten Finanzdeal Haus und Existenz. Als wäre das nicht genug, erhält Raynors Ehemann Moth (Jason Isaacs) auch noch die Diagnose einer seltenen, Parkinson-ähnlichen Erkrankung namens Kortikobasale Degeneration (KBD bzw. im Englischen CBD). Gemeinsam mit seiner Frau Raynor (Gillian Anderson) beschließt er, den 1.014 Kilometer langen South West Coast Path entlang der britischen Südküste zu erwandern – mit Rucksack, Zelt und dem Wunsch, die letzten gemeinsamen Jahre sinnvoll zu nutzen.

Was folgt, ist ein gemütlich erzähltes Drama, das bekannte Elemente des Wander- oder „Journey“-Films mit klassischem britischen Sozialrealismus verbindet. Gillian Anderson und Jason Isaacs gefallen in ihren Rollen, spielen Raynor und Moth authentisch und nahbar.

In visueller Hinsicht macht Der Salzpfad nichts verkehrt, begeistert auf der anderen Seite allerdings auch nicht. Schöne Kulissen, die der South West Coast Path eben bietet, werten die an Originalschauplätzen gedrehte Adaption auf. Ohne aber sehr eindrücklich begeisternd inszeniert zu sein. Wer Vergleichswerte wie, aktuell zur selben Zeit im Kino, The Ballad of Wallis Island kennt, wird merken, wie viel mehr Atmosphäre und visuelle Poesie aus ähnlichem Naturmaterial herauszuholen gewesen wäre. The Outrun wäre noch ein weiteres Beispiel für einen ähnlich angelegten Film, das es audiovisuell klar besser gemacht hat. Zumal auch die Musik von Der Salzpfad bloß wie eine Entspannungs-Playlist daherkommt, die Spotify automatisch generiert haben könnte.

Dramaturgisch bleibt das Geschehen weitgehend ereignisarm, obwohl es hier und da Spannungen zwischen den Eheleuten gibt und Moths Erkrankung sie wiederholt ausbremst. Die Begegnungen unterwegs – etwa mit einer jungen Frau, die kurzzeitig mit wandert, oder einer Imbissverkäuferin – sind nett, aber belanglos. Sie fügen sich nicht zu einem größeren Bild, sondern bleiben isolierte Episoden. Der Film bemüht sich um ruhiges, entschleunigtes Erzählen, verliert dabei jedoch zu oft unser Interesse. Statt innerer Entwicklung gibt es Wiederholung: Lagerfeuer, Zeltaufbau, Fußschmerzen – und das immer wieder. Mag beim echten Wandern auch so sein - aber was macht dann den Reiz aus, einen Film darüber zu inszenieren? Dazu kommen wir jetzt.

Denn die größte Irritation ergibt sich aus der realen Geschichte hinter dem Stoff. Parallel zur internationalen Veröffentlichung des Films erschien ein brisanter Investigativbericht im britischen Observer, der Zweifel an der Authentizität der Romanvorlage aufwirft – und damit auch den Film in ein fragwürdiges Licht rückt. Der Artikel legt nahe, dass zentrale Aspekte der Geschichte – insbesondere die Krankheit des Mannes – stark überdramatisiert oder gar erfunden wurden. Medizinische Expert*innen halten den im Buch beschriebenen, nahezu wundersamen Rückgang der Symptome für ausgeschlossen. Der reale Moth lebt bis heute und scheint die übliche Lebenserwartung seiner angeblich schwerwiegenden Diagnose weit überschritten zu haben – bei verhältnismäßig guter, stabiler Gesundheit. Was so bei dieser Erkrankung laut den befragen Fachärzten weltweit noch nie jemals annähernd vorgekommen ist.

Hinzu kommen Hinweise auf gravierende Unstimmigkeiten in der Darstellung der finanziellen Ausgangslage. So geht aus dem Bericht hervor, dass die Autorin Raynor Winn als Buchhalterin hohe Geldbeträge bei ihrem Arbeitgeber gestohlen haben, was nach einer Weile aufflog. Um einer juristischen Verfolgung zu entgehen, nahm sie ein privates Darlehen auf, das durch die Insolvenz der Gläubigerin letztlich zur Zwangsversteigerung ihres Hauses führte, auf das ohnehin bereits eine hohe Hypothek aufgenommen wurde. Diese Version unterscheidet sich gravierend von der „wir wurden betrogen“- bzw. “Fehlinvestment des Ehemannes”-Erzählung im Buch – und im Film. Die Redaktion des Observer konnte ihre Angaben durch Gerichtsdokumente und Zeugenaussagen belegen. Die Autorin wiederum streitet die Vorwürfe nicht direkt ab, sondern erklärt, die Darstellung sei „nicht fair“ und sie erwäge rechtliche Schritte.

Was bleibt also von einem Film, dessen größte emotionale Kraft aus einer möglicherweise fiktiven Leidensgeschichte schöpft? Ohne den Nimbus der wahren Begebenheit, die nun mindestens stark anzuzweifeln ist, ist Der Salzpfad ein solider, aber letztlich unspektakulärer Wanderfilm mit netter Kulisse, guten Schauspielern und einer Prise Wunderheilungs-Fantasie. Seine große, inspirierende Kraft zieht er aus einer Geschichte, deren Wahrhaftigkeit nun massiv infrage steht – was den Film im Rückblick nicht nur schwächer, sondern auch unangenehm manipulativ erscheinen lässt. Zumal die Geschichte damit - ob in Buch- oder Filmform - auch vielen tatsächlich schwer erkrankten Menschen falsche Hoffnungen gemacht hätte.

(Autor: Daniel Pook)



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Dieser Podcast wurde von Daniel Pook in unserem Studio in Berlin aufgenommen.

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