OverExposition - Final Destination 6: Bloodlines wird überbewertet
Trotz seiner “6” im Titel heißt es vielerorts, Final Destination 6: Bloodlines sei endlich mal wieder ein richtig guter Teil der Reihe. Von einer Überraschung ist die Rede, einem unterhaltsamen, tatsächlich guten Film. Nun, Daniel hat ihn sich jetzt auch endlich mal angesehen und vermutet, manch andere Kritiker haben nie begriffen, was die ersten beiden Final-Destination-Filme überhaupt so reizvoll gemacht hat.
Daniel spricht in diesem OverExposition-Podcast allumfassend über die Final-Destination-Filme und deren jeweilige Handlungen, inklusive ihrer Enden. Er hält sich mit Details über den neusten Film zurück, spoilert darüber allerdings trotzdem ein paar weniger überraschende Dinge.
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Daniels Kritik zu Final Destination 6 & retrospektive Sicht auf die Filmreihe zusammengefasst:
Final Destination 6: Bloodlines wurde im Vorfeld seiner Veröffentlichung von vielen Stimmen als überraschend gutes Highlight der Reihe gehandelt, was sich später in den meisten Kritiken widerspiegelte. Viele lobten den Film als besser als erwartet, ja sogar als richtig gut für das, was er sein will. Unser Rezensent Daniel Pook hat sich den Film mit entsprechender Vorfreude angesehen, kann sich dem ganzen Lob für Final Destination 6: Bloodlines aber keineswegs anschließen. Besser, reizvoller oder in irgendeiner Weise besonders heraushebenswert im Vergleich zu den Vorgängern seit dem zweiten Teil, ist dieser neue Film nämlich mitnichten.
Für wahrscheinlich eher jüngere Zuschauer, die im Kino vor allem auf möglichst brutale Todesarten achten und denen die Inszenierung oder Originalität weniger wichtig ist, mag der Film in Ordnung sein. Das gilt so jedoch auch für alle bisherigen Teile der Reihe: Sie funktionieren auf dieser Ebene, weil in regelmäßigen Abständen jemand auf möglichst spektakuläre Weise stirbt. Bloodlines hebt sich davon nicht positiv ab, sondern reiht sich nahtlos in die durchschnittliche Qualität der Serie ab Teil drei ein.
Als Jugendlicher sah Daniel den ersten Final Destination zu Hause mit mehreren Freunden während einer Übernachtungsparty und empfand ihn als echtes Highlight, ein Guilty Pleasure, das trotz aller Unlogik und Absurdität durch seine verrückte Grundidee erfrischend unterhaltsam war. Besonders die ersten beiden Filme überzeugten noch sehr mit dem Grundkonzept, dass Menschen eine Vision ihres eigenen und anderer Tode erleben, eine Katastrophe verhindern und dadurch den „Plan des Todes“ durchkreuzen. Der Tod wird in der Filmreihe fast wie eine Person dargestellt, die mit immer neuen, oft diabolisch ausgeklügelten Kettenreaktionen versucht, die Überlebenden nachträglich doch noch ins Jenseits zu befördern.
Die erweiterte Grundformel der Reihe ist noch etwas umfangreicher, insgesamt dennoch simpel: Wer durch eine Vision einer Katastrophe entkommt, wird danach in der ursprünglichen Reihenfolge der Opfer des verhinderten Events auf andere, meist spektakuläre Weise gezielt getötet. Das Regelwerk, wie der Tod dabei vorgeht, wurde später allerdings nie konsequent eingehalten und von Film zu Film wahllos schwammig durchgezogen. Mal gibt es klare Vorahnungen einzelner, die wie hellseherische Medien fungieren. Mal können alle beteiligten Figuren Zeichen erkennen, die auf den nächsten Tod hindeuten - oder glauben dies zumindest. Reihenfolgen sind nicht immer ganz klar, werden wiederholt umgedeutet oder aufgrund neu hinzukommender Ausnahmeregelungen durchbrochen.
Besonders im ersten Film war die Logik noch halbwegs stringent: Der Tod holt sich die Überlebenden in der Reihenfolge, in der sie eigentlich hätten sterben sollen. Eine Hauptfigur erhält jedes Mal vorher entsprechend Hinweise, um noch einzuschreiten zu können. Warum, weshalb - das wurde eigentlich nie vollends erklärt, es entstand bei Teil 1 deswegen sogar ein wenig Mystery-Gruselatmosphäre. Zuschauer fühlten sich vom einmal etablierten Konzept jedoch nicht betrogen, weil es plötzlich dann doch vernachlässigt oder nur so halb nachvollziehbar eingehalten wird.
Von Film zu Film hat man als Zuschauer schließlich irgendwann aufgegeben, noch darauf zu hoffen, die Final-Destination-Reihe würde das Prinzip irgendwann mit einer spannenden Mythologie ausschmücken oder anderweitig über seine Todesszenen hinaus Interesse am Geschehen aufbauen wollen. Und so wissen wir aus Routine bei jeder neuen Geschichte längst von Anfang an, dass es keine Flucht gibt – der Tod findet immer einen Weg. Selbst wenn man sich vollkommen abschottet, bleibt das Schicksal unausweichlich. Einzige Ausnahme: Im zweiten Teil gelingt es einer Figur, durch einen vorübergehenden Tod und anschließende Wiederbelebung die Kette zu durchbrechen – ein Element, das später zwar noch Erwähnung findet. Jedoch fordert auch dieses Schlupfloch Konsequenzen, hat den Loop des Todesplans im Ganzen nie endgültig beenden können.
Ein Problem, das ich bei allen Final Destinations stets gesehen habe: Die angebliche Logik hinter dem „Überspringen“ von Opfern bleibt schwammig: Wann gilt ein Mordversuch des Todes als gescheitert? Wann wird jemand übersprungen? Manchmal reicht es, wenn eine tödliche Gefahr verhindert wird, manchmal löst das nur eine neue Kettenreaktion aus und die Person, die gerade vermeintlich gerettet wurde, stirbt in einem sofort durchgeführten nächsten Versuch. Diese Unklarheit, ab wann der Tod auf ein folgendes Opfer überspringt, funktioniert relativ wahllos. Andererseits: Ob überhaupt was an dem vermeintlichen, in den Filmen immer wieder zitierten Regelwerk des Sensenmannes dran ist, wissen wir eigentlich gar nicht wirklich. Der Tod bleibt genau genommen eine abstrakte, nie greifbare Macht. Und vielleicht ist alles auch bloß ein großer Prank. Falls ja, wird es langsam mal Zeit, uns Zuschauende darin einzuweihen.
Warum bleibt der erste Teil dennoch der beste? Vor allem wegen der Inszenierung seiner Todesszenen, insbesondere der ikonischen Flugzeugkatastrophe. Diese Szene wirkt auch heute noch glaubwürdig und erschreckend realistisch, mit einer dichten, packenden Atmosphäre, die Zuschauer mitreißt, uns tatsächlich erschaudern lässt. In diese Katastrophensituation können wir uns noch komplett reinversetzen und der Horror eines solchen Flugzeugunglücks wird aus Opferperspektive ausgiebig dargestellt.
Der erste Film ist weniger Splatter-Entertainment, sondern funktioniert sogar als effektiver Horrorfilm mit Mystery-Elementen. Zuzüglich eines hohen “Was wäre, wenn mir so was selber mal passiert”-Faktor, der funktioniert. Die Todesarten sind originell, aber nicht lächerlich überzogen, und die unsichtbare Bedrohung durch den Tod sorgt für eine ganz eigene Spannung, da dieser noch nicht im wahrsten Sinne des Wortes zu aktiv in unsere Wirklichkeit eingreift. Er manipuliert mehr in Nuancen, damit der Rest wie fast von selbst abläuft. Und so, als hätten es auch echte Unfälle sein können.
Auch der zweite Teil hält noch viele Qualitäten des Originals aufrecht, etwa mit der spektakulären Massenkarambolage auf dem Highway – ein Szenario, das realistisch wirkt und alltägliche Ängste anspricht. Zwar kommt hier schon mehr CGI zum Einsatz und der Ton wird etwas lockerer, doch insgesamt bleibt der Film stimmig und clever inszeniert. Er baut auf den Stärken des ersten Teils auf, ohne ihn einfach zu kopieren, und bringt neue Elemente ein, wie den erwähnten Ausweg durch Wiederbelebung.
Ab dem dritten Teil, dessen Auftakt eine Achterbahnfahrt ist, verliert die Reihe schlagartig an Reiz, die Sequels wirken immer austauschbarer und vergessenswürdig. Die Todesarten gleiten ins voll absurde und alberne ab, werden quasi zu comichaften Meme-Generatoren. Opfer zieht man meistens noch extra dick aufgetragen ins Lächerliche. Die Filme entwickeln sich weg vom atmosphärischen Horror mit Identifikationspotenzial für uns Zuschauende, hin zu plumper Popcorn-Unterhaltung, bei der es nur noch um möglichst spektakuläre und lustige Todesarten geht. Die Figuren werden zunehmend zu Parodien und sind dazu oft noch unsympathisch.
Bei Final Destination 6: Bloodlines habe ich nichts gesehen, was diese Kritikpunkte der späteren Final-Destination-Filme wieder in eine bessere Richtung gelenkt hätte. Es ist nur ein weiterer, durchschnittlicher, überflüssiger Beitrag zu einer Filmserie, deren Faszination und Qualität nach den ersten beiden Teilen stetig abgenommen hat. Die Grundidee – der Tod als unsichtbarer, aber unausweichlicher Gegenspieler, der mit immer neuer Rafinesse zuschlägt – ist zwar weiterhin vorhanden, doch die Umsetzung wirkt längst routiniert, grob und einfallslos. Dass alles viel mehr nach CGI-Computerspiel aussieht anstatt optisch realistisch zu wirken, die Abläufe der Unfallszenen von Beginn an dämlich unglaubwürdig sind (Thema: Statik von Gebäuden, Robustheit von Materialien, grundsätzliche Physikdarstellung), ist Meilenweit schlechter als alles, womit Final Destination im Jahr 2000 mal so verhältnismäßig glaubwürdig inszeniert begonnen hatte.
Als Bonus noch eine alternative Lesart der Final-Destination-Filme, wenn man sie nicht nur als übernatürliche Horrorfilme betrachten mag. Die Geschehnisse könnten auch als Metapher für kollektive Paranoia oder den Sog von Verschwörungstheorien gelesen werden. Immer wieder erleben die Protagonisten eine (meist von einer einzelnen Person ausgelöste) Vorahnung, die sie dazu bringt, sich gemeinsam in eine Verschwörungstheorie reinzusteigern. Was folgt, ist eine kollektive Überzeugung, dass „der Tod“ sie nun gezielt verfolgt – eine Überzeugung, die sich innerhalb der Gruppe verselbständigt, die sich zunehmend gegenseitig in ihrem Wahn bestätigt.
Die Figuren deuten fortan jede Kleinigkeit als Zeichen, dass sie die nächsten Opfer sein könnten. Sie suchen nach Mustern, analysieren Fotos oder Zeichen, versuchen, aus scheinbar harmlosen Alltagsgegenständen tödliche Gefahren herauszulesen. In diesem Licht betrachtet, funktionieren die Filme wie eine Studie über Gruppendynamik und die Entstehung von Paranoia: Ein einzelner Impuls (die vermeintliche Vision) genügt, eine Reihe von unglücklichen Zufällen kommt hinzu, um eine ganze Gruppe in einen Zustand ständiger Angst und gegenseitiger Bestätigung zu versetzen. Der rationale Verstand setzt aus, ihr Gefühl für die Realität geht verloren. Die Protagonisten werden zu Detektiven ihrer eigenen Todesangst, ähnlich wie Menschen, die sich in Verschwörungstheorien hineinsteigern und überall Hinweise auf eine verborgene Ordnung oder Bedrohung sehen.
Diese Interpretation wird durch die filmische Inszenierung unterstützt: Wir sehen Figuren, die immer verzweifelter versuchen, dem scheinbar unausweichlichen Schicksal zu entkommen, und dabei zunehmend irrational handeln, sich durch ihr panisches, ungewöhnliches Verhalten eigentlich noch mehr in Gefahr bringen. Die Atmosphäre ist geprägt von Misstrauen, Ohnmacht und dem Gefühl, dass jede Handlung, jedes Objekt tödlich sein könnte. Was schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird, gerade wenn man explizit alles ungewöhnlich erscheinende gefiltert singulär betrachtet und bewertet. Was ist, wenn diese Filme alle in Wahrheit von Menschengruppen handeln, die gemeinsam einfach nur sehr, sehr viel Pech haben und darauf psychisch zu allem Überfluss so gar nicht klar kommen?
In diese Richtung interpretiert, wären die Final-Destination-Filme nicht nur Geschichten über einen personifizierten Tod, sondern eventuell sogar über die zerstörerische Kraft kollektiver Angst und die Dynamik von Gruppen, die sich gegenseitig in einen Wahn treiben – ein Motiv, das in Zeiten von Fake News und Verschwörungsdenken aktueller ist denn je. Selbst um diese Aussage zu erhalten, hätten aber die guten ersten beiden Filme der Reihe völlig ausgereicht.
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Dieser Podcast wurde von Daniel Pook in unserem Studio in Berlin aufgenommen.