U are the Universe - Wenn du die Erde überlebst
Filme über einsame Astronauten hatten wir schon einige. Den Weltuntergang vom All aus ebenfalls bereits im Kino gesehen. Der ukrainische Science-Fiction-Geheimtipp U are the Universe schafft es, sich ein solches Konzept jetzt noch mal mit eigenem Anstrich und wunderbarer Inszenierung als unterhaltsames Endzeitszenario mit Herz zueigen zu machen. Schon die Entstehung des ambitioniert gefertigten Indie-Films, durch die Covid-19-Pandemie hindurch und noch weit während Russlands Überfallkrieg gegen die Ukraine andauerte, ist bewundernswert. Einzig mit seinem etwas zu kitschig geratenen Schlussmoment hat uns Regisseur Pavlo Ostrikov nicht so sehr überzeugt.
Daniel bemüht sich in diesem Podcast, über die Prämisse und Trailer des Films hinaus, nichts unnötiges oder überraschendes zu spoilern.
Links & Videos zur Filmkritik
Die Letzte Filmkritik - Slingshot
Die Letzte Filmkritik - I.S.S.
Daniels Filmkritik-Artikel zu I.S.S. bei Golem.de
Daniels Meinung aus dem Podcast als Text zusammengefasst:
U Are the Universe ist nicht nur ein bemerkenswerter Science-Fiction-Film, sondern auch ein außergewöhnliches Projekt in seiner Entstehung. Regisseur Pawlo Ostrikow, zuvor vor allem durch Kurzfilme bekannt, entwickelte das Drehbuch bereits 2015. Während der Covid-19-Pandemie startete er mit Script und Vorproduktion, 2022 unterbrach der russische Angriffskrieg die Dreharbeiten in der Ukraine. Trotz Bombeneinschlägen in der Nähe der Studios bei Kiew und zeitweiligen Drehpausen – teils über ein Jahr, weil Hauptdarsteller Wolodomyr Krawtschuk und weitere Beteiligte im Militärdienst standen – wurde der Film vollständig in der Ukraine fertiggestellt. Unterstützt wurde die Produktion sowohl von der Ukrainischen Staatlichen Filmagentur als auch von einer belgischen Firma. Das Budget lag vermutlich deutlich unter einer Million Euro, dennoch wirkt der Film visuell weit teurer.
Besonders beeindruckend sind die Sets und die Kameraarbeit. Die Innenkulissen des Raumschiffs verbinden gegenwartsnahe Designs von Raumfahrttechnik mit Retro-Charme alter Filme aus den 70er und 80er Jahren. Viele Schalter, Knöpfe und Lämpchen verleihen der Szenerie rustikale Funktionalität, die durch Lichtsetzung zugleich atmosphärisch wirkt. Kameramann Mykyta Kusmenko inszeniert das Kammerspiel im All abwechslungsreich und plastisch, unterstützt durch Color Grading, das den digitalen Arri-Alexa-Aufnahmen einen leichten Analogfilm-Charakter verleiht, ohne Schärfe und Detailgrad zu unmodern wirken zu lassen oder komplett alte Filmrollen nachzuahmen. Die Mischung aus alter Stilistik mit modernem Look ist durchweg toll gelungen.
Auch die visuellen Effekte überraschen positiv. Obwohl Außenaufnahmen des Raumschiffs und des Alls sparsam eingesetzt werden, bietet der Film mehr CGI-Szenen, als man bei einer Produktion dieser Größenordnung erwarten würde. Besonders in der ersten Hälfte überzeugen die Effekte, etwa beim Aufprall von zersplitterndem Weltraumschrott, der sich gleich überall in der Schwerelosigkeit des Alls verteilt. Besonders überzeugen dabei glaubwürdige Licht- und Schattendarstellung, um eine gelungene Illusion herbeizuführen. Kleinere Abstriche einzelner Effektszenen im späteren Filmverlauf, die visuell nicht ganz auf Höhe des restlichen Films mitspielen, mindern den Gesamteindruck kaum.
Inhaltlich konzentriert sich der Film auf den Astronauten Andriy (Wolodomyr Krawtschuk), der als Passagier eines Atommülltransporters Zeuge einer nuklearen Katastrophe auf der Erde wird. Mit seinem sprechenden Bordcomputer, der auch einen klotzigen Roboterkörper mit LED-Gesichtsdarstellung besitzt, als einzigem Begleiter, muss er sich der Einsamkeit stellen und glaubt zunächst, der letzte überlebende Mensch zu sein. Die reduzierte Handlung wird von einem zu Beginn eingebetteten Informationsfilm ergänzt, welcher die globale Krise auf der bereits von Atommüll verseuchten Erde grob skizziert. Viel über die Umstände außerhalb des Raumschiffs, das nukleare Abfälle zum Jupitermond Kallisto transportieren soll, erfahren wir allerdings nie.
Die Stärke des Films liegt in seiner isolierten Charakterzeichnung. Andriy wird mit all seinen Eigenheiten, Schwächen und pragmatischer Gelassenheit als glaubwürdige Figur dargestellt, deren emotionale Entwicklung sich im Verlauf der Geschichte weniger durch depressive Gedanken über das Ende der Erde, als viel mehr durch die Hoffnung auf Kontakt zu einem anderen überlebenden Menschen entfaltet. Entsprechend lesen wir den Filmtitel “U Are the Universe” keinesfalls als Aufruf zu egozentrischen Weltbildern, sondern bekommen unter Extrembedingungen aufgezeigt, dass wir die Fixpunkte unserer persönlichen Universen auch auf andere Menschen in unserem Orbit verlagern können, dies sogar häufig bevorzugt tun, anstatt uns nur um uns selbst zu kreisen.
Ein kleiner Kritikpunkt bleibt das etwas kitschige Schlussbild - wir hätten uns ein anderes oder anders präsentiertes Finale gewünscht. Insgesamt überzeugt U Are the Universe als technisch stark umgesetztes, atmosphärisch dichtes und visuell eindrucksvolles Sci-Fi-Kammerspiel, das seine begrenzten Mittel bemerkenswert effektiv nutzt, aber dennoch.
Aktuell läuft der sehr empfehlenswerte Film vereinzelt in Programmkinos, eine Heimkinoveröffentlichung ist angekündigt und es scheint außerdem eine deutsche Synchronisierung zu geben. Mit seiner Produktionsgeschichte, starkem Hauptdarsteller und beeindruckender Bildgestaltung ist U are the Universe ein sehenswerter Beitrag zum internationalen Science-Fiction-Kino, das längst nicht nur von teuren Blockbuster-Highlights aus Hollywood getragen wird.
Autor: Daniel Pook
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Dieser Podcast wurde von Daniel Pook in unserem Studio in Berlin aufgenommen.