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mother! - Fazit & Analyse des Wahnsinns

Patrick aus Hürth & Daniel schütteln euch ihre Herzen über Darren Aronofskys Meisterwerk mother! aus. Erst im gemächlichen Fazit ohne tiefgreifende Spoiler, dann eskalierend in der großen Gesamtanalyse der Horror-Metapher, die weit mehr als ein paar offensichtliche Bibel-Allegorien zu bieten hat.

Filmplakate: mother! / © Paramount Pictures (2017)

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mother! - Fazit & Analyse des Wahnsinns Patrick aus Hürth, Daniel Pook

Bedeutung der gelben Medizin - Nachtrag zur Analyse aus der Spoiler-Sektion

Eine der offen gebliebenen Fragen nach unserer Podcast-Analyse ist die Bedeutung der gelben Substanz, die Mother (Jennifer Lawrence) in der ersten Hälfte des Films regelmäßig zu sich nimmt, um sich - so scheint es auf den ersten Blick - ihrer Schwindelanfälle zu erwehren. Nach mehrmaligem Gucken hat sich für uns eine Theorie herauskristallisiert, die wir für sehr wahrscheinlich halten und hier ergänzen möchten.

Wir vermuten, mit diesem selbst gemischten Mittel verhindert Mother den Willen von Him (Javier Bardem), dem Schöpfer, ein Kind zu gebären. Womöglich ist dies sogar der Grund für seine anfängliche Schreibblockade und die fixe Idee, sich zur Ablenkung und als alternative Inspirationsquelle, womöglich sogar als Ersatz für einen "echten" Sohn, den ersten Menschen herbei zu schreiben. Er war frustriert, weil er unbedingt ein Kind mit Mother haben wollte, all seine schöpferischen Kräfte, sein Schreiben, dies aber scheinbar nicht herbeiführen konnten. Wohl aber den ersten Menschen, weitere sollten folgen - seine von ihm allein stammenden Kinder ohne wahre Mutter, nur nach seinem Ebenbild erschaffen. In mehreren Dialogen des Films wird nicht zuletzt durch vielsagende Blicke deutlich, dass sich beide Protagonisten eigentlich gemeinsame Kinder wünschen, Mother aber der Grund dafür zu sein scheint, dass sie im Moment trotzdem keine bekommen.

Und ihr Grund dafür, dies sogar aktiv zu verhindern? Woman bzw. Eva (Michelle Pfeiffer) bringt es auf den Punkt: Mother ist sich nicht sicher, ob Him sie wirklich liebt. Dies ist letztendlich bis zur letzten Szene ihre zentrale Frage im ganzen Film und je mehr Menschen im Haus hinzu kommen, umso plagender wird ihre damit verbundene Verunsicherung. Dafür stehen die Schwindelanfälle, die immer dann auftreten, wenn Ereignisse und Personen dafür sorgen, dass sich Hims Interesse ein weiteres Stück von Mother entfernt. Sie repräsentieren ihr Gespür dafür, dass die Verbindung des Schöpfers zum Geist des Hauses, der Welt die sie mit ihm bis Tag 6 erschaffen hatte, schwindet. Sie sind womöglich aber nicht das, was mit dem gelben Mittelchen bekämpfen möchte. Viel mehr erinnern sie die impulsartigen Stöße daran, dass sie das Kind unter den gebotenen Umständen nicht bekommen möchte und sie greift schleunigst zur gelben Mischung (Pulver erinnert an ihre gelbe Farbe vom Wände bemalen, wirkt außerdem wie ein Mittel aus alter Naturheilkunde, also ihr Terrain), ist daraufhin beruhigt, da für eine Weile wieder Gewissheit ob ihrer größten Sorge herrscht. Denn wie wir aufgrund der späteren Szene im Arbeitszimmer wissen: Sie ist bereit, ihm alles bedingungslos zu geben und immer alles wieder aufzuräumen, egal wie wahnsinnig und rücksichtslos er sich verhält. Nur bei ihrem Kind ist Schluss und in der Sache stellt sie sich als Mutter sogar über ihn, den Schöpfer, den Vater. 

Der große Moment, in dem sich unsere Theorie über das gelbe Mittel als eine Art "Geburtsverhinderer" festigt, kommt nach der Sintflut. Zwischen Him und Mother bricht ein großer Streit aus, in dem sie ihn direkt mit ihren Zweifeln an seiner Liebe konfrontiert. Es wird hitzig - er wirft ihr vor, kein Kind von ihm zu bekommen, wird handgreiflich - und plötzlich ist im Streit die Leidenschaft da, die sie vorher so vermisst hat. Und da Him kurz zuvor sogar alle irren Menschen aus dem Haus verjagt hat, beschließt Mother am nächsten Morgen, ihm zu sagen, sie bekomme ein Kind und wisse es einfach. Warum ging das so schnell, woher weiß sie das sofort? Weil sie durch seine schöpferische Macht schon lange vorher schwanger war, die Entstehung des Kindes aber mit den Möglichkeiten ihrer Naturkräfte zurückgehalten und sich nun umentschieden hat. Sie wähnt sich ehrlich geliebt, hat Him für sich alleine und schüttet folgend das gelbe Pulver ihrer Medizin in den Abfluss.

Und ZACK, ab der nächsten Szene ist ein Babybauch zu sehen. Man beachte auch: Als die neuen Menschen kommen, der Wahnsinn wieder los geht, Him sich emotional wieder von ihr entfernt, kehren die impulsartigen Druckwellen selbst nach der Geburt des Kindes wiederholt zurück und auch wenn Mother kein Pulver mehr zu sich nimmt, bleibt sie davon nicht wirklich länger gelähmt oder von Schwindel geplagt als zuvor - denn die Medizin hatte eine andere Funktion und die Schmerzen über Hims Ignoranz und Unehrlichkeit ihr gegenüber haben sie wie gesagt nur wiederholt daran erinnert, die Geburt des gemeinsamen Kindes ohne Beweis seiner wahren innigen Liebe zurückzuhalten.

Bliebe noch zu klären: Warum mischt Mother so gerne gelbes, ob für die Wand oder als Mittelchen? Wie vielerorts bereits erwähnt, war eine Inspiration für das Drehbuch von mother! die Kurzgeschichte Die Gelbe Tapete. Vermutlich ist die Wahl der Farbe einfach nur ein kleiner Querverweis darauf. Gerade einem etwas dunkel getrübten Gelb wird in der psychoanalytischen Farbenlehre allerdings auch passend zu unserer Theorie ein Gefühl von Neid und Lüge zugeordnet. Beide Motive könnte man hier durchaus gelten lassen. Oder habt ihr eine ganz andere Sichtweise darauf? Tippt gerne Vorschläge in den Kommentarbereich oder schickt uns eine Mail!


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Dieser Podcast wurde dank Funktechnik von Patrick aus Hürth in Hürth & Daniel in Berlin aufgenommen.


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